Berufsaufsicht
Zu den Aufgaben der Rechtsanwaltskammer gehört nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO auch die Überwachung der Erfüllung der den Mitgliedern obliegenden Berufspflichten, die insbesondere in §§ 43 ff. BRAO und in der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) geregelt sind.
Ein außerhalb des Berufs liegendes Verhalten einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts ist nur dann eine anwaltsgerichtlich zu ahndende Pflichtverletzung, wenn es eine rechtswidrige Tat oder eine mit Geldbuße bedrohte Handlung darstellt und nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße dazu geeignet ist, Achtung und Vertrauen der Rechtssuchenden in einer für die Ausübung der Anwaltstätigkeit bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 113 Abs. 2 BRAO).
Verfahren bei der Rechtsanwaltskammer
Sofern eine Verletzung berufsrechtlicher Pflichten auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens in Betracht kommt, wird die betreffende Rechtsanwältin bzw. der betreffende Rechtsanwalt zur Stellungnahme aufgefordert. Nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 BRAO besteht grundsätzlich eine Pflicht zur Auskunftserteilung. Aufgrund unserer Verschwiegenheitspflicht können wir die Stellungnahme nur dann an die Beschwerde führende Seite weiterleiten, wenn die betreffende Rechtsanwältin bzw. der betreffende Rechtsanwalt ihr bzw. sein Einverständnis hierzu erklärt (BGH, Urteil v. 11.01.2016 – AnwZ (Brfg) 42/14). Wir bitten jeweils um Mitteilung, ob ein entsprechendes Einverständnis besteht.
Sofern sich die Beschwerdeführerin bzw. der Beschwerdeführer nochmals äußert, erhält die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt Gelegenheit zur abschließenden Äußerung.
Sodann prüft die zuständige Vorstandsabteilung, ob eine Verletzung berufsrechtlicher Pflichten vorliegt bzw. möglich erscheint und was zu veranlassen ist. Wir bitten um Beachtung, dass die Vorstandsmitglieder ehrenamtlich tätig sind und die gesamte zuständige Beschwerdeabteilung – in der Regel im Rahmen einer Sitzung – über die Beschwerde entscheidet, so dass das Verfahren länger dauern kann.
Verneint die Abteilung das Vorliegen einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten, so weist sie die Beschwerde unter Mitteilung der Gründe zurück.
Hat die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt berufsrechtliche Pflichten verletzt, ist die Schuld allerdings gering, so kann die Vorstandsabteilung ihr bzw. ihm eine Rüge erteilen (§ 74 BRAO). Gegen die Rüge steht das Rechtsmittel des Einspruchs zur Verfügung. Wird kein Einspruch erhoben, so teilen wir den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern die Rügeerteilung mit kurzer Begründung der Entscheidung mit, anderenfalls das Ergebnis des Einspruchsverfahrens (§ 73 Abs. 3 BRAO). Wird der Einspruch zurückgewiesen, kann die betroffene Rechtsanwältin bzw. der betroffene Rechtsanwalt die Entscheidung des Anwaltsgerichts beantragen (§ 74a BRAO).
Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer können die Entscheidung der Beschwerdeabteilung oder der Einspruchsabteilung nicht durch ein Rechtsmittel anfechten.
Verfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft/beim Anwaltsgericht
Sofern entweder eine erhebliche Verletzung berufsrechtlicher Pflichten jedenfalls möglich erscheint und/oder eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes notwendig ist, gibt die Vorstandsabteilung den Vorgang an die Generalstaatsanwaltschaft ab. Diese prüft, ob ein Prozess vor dem Anwaltsgericht einzuleiten ist. Wir bitten zu beachten, dass eine Abgabe an die Generalstaatsanwaltschaft keineswegs zwingend bedeutet, dass es später auch zu einem Prozess vor dem Anwaltsgericht bzw. zu einer Verurteilung durch das Anwaltsgericht kommt. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer unterrichten wir auch in diesen Fällen nach Abschluss des Verfahrens darüber, ob das Verfahren eingestellt wurde oder eine Verurteilung durch das Anwaltsgericht erfolgte. Anwaltsgerichtliche Maßnahmen sind insbesondere Verweis und Geldbuße (§ 114 Abs. 1 BRAO).
Weitere Hinweise
Für die Erhebung einer Beschwerde entstehen – unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens – keine Kosten.
Wenn wegen des gleichen Sachverhaltes auch eine Strafanzeige erstattet wurde, wird das Verfahren in der Regel ausgesetzt oder zunächst nicht eingeleitet, da die Staatsanwaltschaft weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten hat.
Berufsrechtliche Pflichtverletzungen verjähren in der Regel nach fünf Jahren (§ 115 Abs. 1 Satz 1 BRAO).
Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer geben zwar oftmals den Anstoß für die Einleitung eines Aufsichtsverfahrens, sind an diesem allerdings nicht wie die Parteien eines Gerichtsprozesses beteiligt. Einerseits müssen die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer nicht in eigenen Rechten verletzt sein, andererseits haben sie nicht die gleichen Rechte wie beispielsweise die Beteiligten eines Gerichtsprozesses.